Seit dem Bau der vier Staustufen entstanden am Unteren Inn wieder wertvolle Fluss- und Auenlebensräume – sozusagen „aus zweiter Hand“.
Mit dem Bau der vier Staustufen am Unteren Inn verlangsamte sich die Fließgeschwindigkeit des Flusses. Bereits nach kurzer Zeit lagerten sich vom Fluss mitgeführte Schwebstoffe in den angestauten Bereichen ab und bildeten erste Inseln. Die Verlandung der zunächst riesigen angestauten Wasserflächen verlief rasant. Durch die Anlagerung von feinen Sedimenten entstanden schnell Flachwasserzonen und Schlickbänke. Schilfpflanzen siedelten sich an und bildeten weitläufige Röhrichte. Auf den neu entstandenen Schwemmbänken blieben auch erste Bäume nicht lange fern – so entstanden nach und nach einzigartige Auwald-Inseln.
Heute ist der Zustand weitgehend stabil und es bilden sich kaum mehr neue Anlandungen. Die Anzahl der Watvögel ist daher im Vergleich zu den 1970er-Jahren wieder zurückgegangen – sie profitieren vor allem vom großen Nahrungsangebot auf den offenen Schlickbänken. Die in der Folgezeit entstandenen Lebensräume nützen dafür wieder anderen Arten: In den Röhrichten fühlen sich Zwergdommeln, Drosselrohrsänger oder Haubentaucher wohl – und die unberührten Auwälder auf den Inseln dienen Wald- und Greifvögeln als Nistgebiete.
Flachwasserzonen und Schlickbänke aus feinen Sedimenten sind ein Paradies für Wasservögel. Denn im Schlick leben unzählige Würmer und Larven, eine wichtige Nahrungsquelle für die Vögel.
Zu den ersten Pflanzen, die die neu entstandenen Inseln besiedeln, zählen anspruchslose Sauergräser wie Seggen- und Simsen-Arten – sie nennt man deshalb auch Pionierpflanzen. Nach kurzer Zeit kommen kräftigere Arten dazu und setzen sich durch – zum Beispiel das Rohr-Glanzgras oder der Blutweiderich. Dieser färbt während seiner Blüte im Sommer oft ganze Inseln rot.
Die ersten Bäume, die sich auf den Schwemmbänken ansiedeln, sind Silberweiden. Sie wurzeln bis zu zwei Meter tief und stabilisieren so die Inseln. Anfangs wachsen sie sehr schnell: bis zu zwei Meter jährlich! So wird aus dem Weidengebüsch schnell ein Weiden-Urwald mit bis zu 25 Meter hohen Bäumen.
Neben den neu entstandenen Auwäldern in den dschungelartigen Verlandungszonen längs des eingestauten Inns – zum Beispiel in der Hagenauer Bucht oder der Reichersberger Au – existieren außerhalb der Dämme noch alte Auwälder. Hier fehlt allerdings ein wichtiger Faktor natürlicher Auwälder: Die zeitweise Überflutung durch den Fluss. Dennoch sind die kraut- und strauchreichen Wälder von großem Wert für die Tierwelt, das Lokalklima – und nicht zuletzt für die menschliche Erholung.
Wenn mitten im Auwald eine wassergefüllte Geländesenke auftaucht, handelt es sich vielleicht um ein Altwasser: So bezeichnet man ehemalige Flussarme, die keine Verbindung mehr zum Fluss haben und daher zum Stillgewässer geworden sind. Gemeinsam mit anderen Tümpeln sind sie Lebensraum für Teichrosen, Libellen und Frösche. Die Bäche sind im Gegensatz zum trüben Innwasser ganz klar.
In der Aue gibt es auch trockene Biotope. Eine Besonderheit der Alpen-Flussauen sind die sogenannten Brennen: Das sind Lichtungen, die auf den in früherer Zeit vom Fluss angeschwemmten, zum Teil meterdicken Kiesböden entstanden sind. Durch den wasserdurchlässigen Untergrund ist es dort sehr trocken. In den Magerrasen und Trockengebüschen gedeihen seltene Orchideen, Dornsträucher und Wacholder – und über den duftenden Blütenteppichen flattern und schwirren zahllose Falter, Hummeln, Bienen und Heuschrecken.
Auch auf manchen Staudämmen herrscht eine reiche Blütenfülle und reges Insektentreiben. Werden die Böschungen nicht gedüngt, dafür aber regelmäßig nach Naturschutzempfehlungen gepflegt, können hier artenreiche Ersatzbiotope entstehen. Durch ihre linienartige Form spielen sie eine wichtige Rolle in der Vernetzung von Wiesenlebensräumen.
Der frühere Wildfluss Inn brachte jede Menge Kies aus den Alpen mit. Mit jedem Hochwasser verlagerte sich das Flussbett, neue Kiesbänke entstanden. Seit dem Bau der Kraftwerke wurden diese Prozesse am Unteren Inn weitgehend gestoppt, offene Kiesflächen sind kaum mehr zu finden.
Für seltene Arten wie Flussregenpfeifer oder Flussuferläufer sind solche Kiesbänke aber überlebenswichtig. Denn hier brüten sie ihre Eier - perfekt getarnt zwischen den Kieselsteinen - aus und gehen auf die Jagd nach Insekten. Seit kurzem finden sie dank Naturschutzprojekten, bei denen neue Kiesflächen geschaffen wurden, wieder geeignete Lebensräume vor. Mehr dazu unter Renaturierung.
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